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Westfälische Namensgebung

Geschichte in Europa

Familiennamen im heutigen Sinne haben sich aus Beinamen entwickelt, die zunächst nur an individuelle Personen vergeben waren, aber noch nicht an nachfolgende Personen weitergegeben wurden. Im 9. Jahrhundert wurde erstmals in Venedig ein Beiname vererbt. Diese Sitte breitete sich von dort aus im 10. Jahrhundert nach Norditalien und Südfrankreich aus. Im 11. Jahrhundert gelangte der Gebrauch nach Katalonien und Nordfrankreich, im 12. Jahrhundert nach England und in das Gebiet der Schweiz. Danach wurde der Gebrauch eines festen Familiennamens auch in den west- und süddeutschen Städten üblich. Anfang des 15. Jahrhunderts waren Familiennamen überall im deutschen Sprachraum anzutreffen, aber nicht durchgehend. Auch konnte der Familienname noch wechseln, zum Beispiel bei Wegzug oder aufgrund neuer Berufstätigkeit oder bis etwa 1800 bei der Einheirat in einen Bauernhof.

Während der Adel seit der Erblichkeit der Lehen im Jahr 1037 feste Familiennamen trug, um seine Erbansprüche geltend machen zu können, folgten erst später die Patrizier und Stadtbürger. Insbesondere im Patriziat hat noch die Wahrung des Familienbesitzes zur Bildung der festen Beinamen beigetragen, während im restlichen Bürgertum die Familiennamenbildung vor allem durch den Ausbau des Verwaltungswesens mit einer zunehmenden schriftlichen Beurkundung gefördert wurde. Der Familienname hatte bis ins 18. Jahrhundert hinein zumeist nur untergeordnete Bedeutung, während der Rufname der eigentliche Name blieb.

Bäuerliche Gegenden kamen bis zum 17. oder 18. Jahrhundert ohne einen festen Familiennamen aus, in Friesland wurde er erst im 19. Jahrhundert gesetzlich eingeführt.

Herleitung von Familiennamen

Die meisten Familiennamen leiten sich ab :

  • aus Berufs- und Amtsbezeichnungen (Berufsname)
  • von Eigenschaften der Person (Übername)

und für die bäuerliche Gegend besonders :

  • vom Vornamen des Vaters (Patronym) oder der Mutter (Matronym)
  • von der geographischen Herkunft (Herkunftsname)
  • von Besonderheiten der Wohnstätte (Wohnstättenname)

Familiennamen im deutschsprachiger Raum

Die deutschen Familiennamen haben sich im deutschsprachigen Raum seit dem 12. Jahrhundert nach und nach etabliert. 1875 wurden im Deutschen Reich die Standesämter eingeführt und die Namen festgeschrieben. Seitdem trägt jeder Deutsche einen oder mehrere Vornamen, einen eventuellen Zwischennamen und einen Familiennamen, und zwar in dieser Reihenfolge. In einigen deutschen Gegenden wird, beruhend auf der beruflichen, familiären oder geografischen Herkunft, umgangssprachlich mitunter der Familienname (z. T. auch im Genitiv) vor den Vornamen an erste Stelle gesetzt. Diese umgekehrte Reihenfolge ist besonders im ländlichen süd- und westdeutschen Raum verbreitet, besonders in Bayern („der Huber Sepp“), Baden, Schwaben, Südtirol und Ostbelgien.

Als Familienname gilt gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, in Kraft seit dem 1. Januar 1900) der Nachname, der als Folge der Abstammung von den Eltern auf die Kinder übergeht. Die Angabe des Geburtsnamens einer einzelnen Person (Beispiel: geborene …, gebürtig …; abgekürzt geb.) ist kein Bestandteil des Familiennamens, der von den Eltern auf die Kinder übergeht.

Familiennamen im westfälischen Raum

Bis zur vollständigen Eingliederung aller deutschen Länder (Fürstentümer, Grafschaften, Kleinstaaten) in den preußischen Staat, nach der Niederlage Napoleon`s 1815, wurden die Familiennamen von den Wohnstätten abhängig gemacht. Diesel lag daran, das die Einwohner, außer die Einwohner von Städten, Eigenbehörige ihrer Landesherren waren. Dieses Einwohner wohnten somit auf auf dem Besitz (im größten Teil Bauernhöfe) der Landesherren. Die Tradition war es aber, das der Hofvorsteher, der Colon, seinem Sohn den Hof vererben durfte. In Bereichen von Ostwestfalen war es seit vielen Jahrhunderten der jüngste Sohn, der den Hof übernahm. Konnte kein Sohn diese Erbschaft antreten (zum Beispiel durch Tod), so ging dieser an die jüngste Tochter.

Da nun ab 1815 durch die preußische Regierung, in Westfalen mit ihren Regierungsbezirken Arnsberg, Münster und Minden (heute Detmold), zur Pflicht machte, das der Mann den Familiennamen auf den Hof überträgt, auch wenn dieser einheiratete. Auch wenn ab dem späten 18. Jahrhundert langsam Hausnummer aufkamen, kam es aber zu dem Brauch, das ein Mann bei Einheirat auf einen Hof seinen Familiennamen behielt und zusätzlich der alte Hofname zusätzlich angehängt wurde.

Hofnamen mit Vor- und Nachnamen als Familiennamen

Der genaue zeitliche Ursprung ist nicht bekannt. Diese Namensführung könnte aber schon im 14. und 15. Jahrhundert entstanden sein. Der Grund für die Entstehung eines solchen Namens bei den Höfen war in vielen Fällen eine Hofteilung. Einen urkundlichen Nachweis gibt es für den Hof Feuerborn von 1515. Der Besitzer, der Graf von Rietberg, hat die Renten (Abgaben) dieses Hofes verpfändet und sich das Recht vorbehalten, sie wieder einlösen zu können. Ebenso steht in dieser Urkunde, dass der Hof Feuerborn zu dieser Zeit geteilt und gebaut wurde. Ein Hof soll danach Hinrick to Feuerborn und der andere Sieveke tho Feuerborn heißen. (Hinrick = Heinrich und Sieveke = Siegfreid, sind alte angelsächsische Namen).

Zu Vermuten ist, das der Hof zur Übergabe an den Erben stand und der Graf befahl, diesen zu teilen, um mehr Steuern eintreiben zu können. Somit wurden wohl zwei Söhne des Hofes neue Colone.

Dieses Hofteilung gab es auch bei dem Hof Brummel in Heinrich Brummel und Claas Brummel (Claas = Klaus). Aber auch einen weiterern Hof Brummel in Große Brummel und Kleine Brummel. Ob diese beiden Ur-Brummel Höfe schon davor bereits geteilt wurden, ist bisher nicht bekannt, aber zu vermuten.

Beispiele :

  • Bauernhof `Claasbrummel´ : Jacobfeuerborn genannt Claasbrummel
  • Bauernhof `Hülshorst´ : Jacobfeuerborn genannt Hülshorst
  • Bauernhof `Hermreck´ : Paulfeuerborn genannt Hermreck
  • Bauernhof `Feldotto´ : Feldotto genannt Hans am Feuerbornteiche (später kurz `Diekhans´, Diek (altdeutsch) = Teich)

Komplizierter wird es, wenn schon die Eltern bereits einen solchen Doppelnamen geführt haben. Wenn die Heirat der Eltern vor 1815 stattfand, konnte es sein, das der Doppelname vergessen wurde.

Im Falle des Hofes Hermreck haben wir eine solchen besonderen Fall :

Die Familie des Colon Wilhelm Hermreck und Colona Elisabeth Jacobfeuerborn waren vollständig geschrieben

Wilhelm Ahnhorst sive Paulfeuerborn genannt Hermreck und Elisabeth Jacobfeuerborn genannt Claasbrummel

Warum ?

Wilhelms Vater war Conrad Wilhelm Ahnhorst, der auf den Hof Paulfeuerborn einheiratete. Damit bekam der Vater den Namen Conrad Wilhelm Ahnhorst genannt Paulfeuerborn. Sein Sohn Wilhelm wird nun in den Kirchenbücher bei Heirat, Geburten der Kinder, in unterschiedlicher Weise schriftlich festgehalten. Als Wilhelm Ahnhorst, als Wilhelm Paulfeuerborn oder als Ahnhorst sive Paulfeuerborn auch Ahnhorst genannt Paulfeuerborn.

Dieses „genannt Xxxxxxx“ bezieht sich immer auf die Wohnstätte. Mit ganz wenigen Ausnahmen.

Ebenso hat Elisabeth`s Vater, ein geborener Jacobfeuerborn auf den Hof Claasbrummel eingeheiratet.

Fazit :

Für die Ahnenforschung im Bereich Westfalen können dadurch erst ab 1815 problemlos Stammbäume erstellt werden. Geht es in die Zeit vor 1800, als ins 18. Jahrhundert und früher, sollte man alle Unterlagen studieren. Das sind Kirchenbücher Steuerlisten/-protokolle, Weinkauf-Protokoll sowie Sterbefall-Protokoll und viele weiter amtliche Akten. Weinkauf-Protokolle waren eine Steuerabgabe bei der Hofübergabe und Sterbefall-Protokolle eine Erbschaftssteuer.

Die alten Akten befinden sich in den heutigen Staats- und Landes-Archiven Westfalens, sowie in vielen Stadt- und Gemeindearchiven. (Angaben zu den Standorten finden sie auf www.westfalenhoefe.de jeweils auf den Seiten der jeweiligen Kreise und Städten/Gemeinden. Bei Fragen kann man über die jeweilige E-Mail am Ende jeder Seite uns anschreiben.)

Michael Erichreineke, Verl im Januar 2024

English

Westphalian naming

History in Europe

Family names as we know them today developed from surnames that were initially only given to individuals but were not yet passed on to subsequent people. A surname was first passed on in Venice in the 9th century. This custom spread from there to northern Italy and southern France in the 10th century. In the 11th century, it spread to Catalonia and northern France, and in the 12th century to England and Switzerland. After this, the use of a fixed surname also became common in West and South German cities. At the beginning of the 15th century, surnames could be found everywhere in the German-speaking world, but not universally. The surname could also change, for example when people moved away or due to a new occupation or, until around 1800, when people married into a farm.

From 1815, the Prussian government, in Westphalia with its administrative districts of Arnsberg, Münster and Minden (now Detmold), made it compulsory for the man to transfer the family name to the farm, even if he married into it. Even though house numbers slowly began to appear from the late 18th century onwards, it became customary for a man to keep his family name when he married into a farm and to add the old farm name.

While the nobility had been using fixed surnames since the hereditary nature of the fiefs in 1037 in order to be able to assert their inheritance claims, the patricians and townspeople only followed later. In the patrician class in particular, the preservation of family property contributed to the formation of fixed surnames, while in the rest of the bourgeoisie the formation of surnames was promoted above all by the expansion of the administrative system with increasing written documentation. Up until the 18th century, the family name was usually only of secondary importance, while the surname remained the actual name.

Rural areas managed without a fixed surname until the 17th or 18th century; in Friesland it was only introduced by law in the 19th century.

Through emigration, surnames can also spread to regions and language areas that are far removed from the place of origin of the name.

Derivation of surnames

Most surnames are derived :

  • from occupational and official titles (occupational name)
  • from characteristics of the person (nickname)

and for rural areas in particular :

  • from the first name of the father (patronymic) or mother (matronymic)
  • the geographical origin (name of origin)
  • from special features of the place of residence (residence name)

Surnames in the German-speaking world

German surnames have gradually become established in German-speaking countries since the 12th century. In 1875, registry offices were introduced in the German Reich and names were formalised. Since then, every German has had one or more first names, a possible middle name and a family name, in that order. In some German regions, based on professional, family or geographical origin, the family name (sometimes also in the genitive case) is sometimes colloquially placed before the first name. This reverse order is particularly common in rural southern and western Germany, especially in Bavaria („der Huber Sepp“), Baden, Swabia, South Tyrol and eastern Belgium.

According to the German Civil Code (BGB, in force since 1 January 1900), the family name is the surname that passes from parents to children as a result of descent. The indication of the birth name of an individual person (example: born …, born …; abbreviated to geb.) is not part of the surname that passes from parents to children.

Surnames in the Westphalian region

Until the complete incorporation of all German lands (principalities, counties, small states) into the Prussian state after the defeat of Napoleon in 1815, surnames were made dependent on the place of residence. The reason for this was that the inhabitants, with the exception of the inhabitants of towns, were the property of their sovereigns. These inhabitants therefore lived on the property (mostly farms) of the sovereigns. Traditionally, however, the head of the estate, the colon, was allowed to bequeath the estate to his son. In areas of East Westphalia, it was the youngest son who took over the farm for many centuries. If no son was able to inherit it (for example through death), it went to the youngest daughter.

From 1815, the Prussian government, in Westphalia with its administrative districts of Arnsberg, Münster and Minden (now Detmold), made it compulsory for the man to transfer the family name to the farm, even if he married into it. Even though house numbers slowly began to appear from the late 18th century onwards, the custom remained that when a man married into a farm, he kept his family name and the old farm name was also added.

Court names with first names and surnames as family names

The exact chronological origin is not known. However, this name could have originated as early as the 14th and 15th centuries. In many cases, the reason for the creation of such a name at the farms was a farm division. There is documentary evidence for the Feuerborn farm from 1515. The owner, the Count of Rietberg, pledged the annuities (taxes) of this farm and reserved the right to redeem them. This document also states that the Feuerborn farm was divided and built at this time. One farm is said to be called Hinrick to Feuerborn and the other Sieveke tho Feuerborn. (Hinrick = Heinrich and Sieveke = Siegfreid, are old Anglo-Saxon names).

It can be assumed that the farm was to be handed over to the heir and the count ordered it to be divided in order to collect more taxes. As a result, two sons of the estate became new `Colons´.

This farm division also existed at the Brummel farm in Heinrich Brummel and Claas Brummel (Claas = Klaus). But there was also another Hof Brummel divided into Große Brummel and Kleine Brummel. It is not yet known whether these two original Brummel farms had already been divided before this, but it can be surmised.

Examples :

  • Farm `Claasbrummel' : Jacobfeuerborn called Claasbrummel
  • Farm `Hülshorst' : Jacobfeuerborn called Hülshorst
  • Farm `Hermreck' : Paulfeuerborn called Hermreck
  • Farm `Feldotto' : Feldotto called Hans am Feuerbornteiche (later shortened to `Diekhans' Diek (oldgerman) = Teich, englisch Pont)

It becomes more complicated if the parents already had such a double name. If the marriage of the parents took place before 1815, it could be that the double name was forgotten.

In the case of the Hermreck farm we have such a special case :

The family of Colon Wilhelm Hermreck and Colona Elisabeth Jacobfeuerborn were written in full

Wilhelm Ahnhorst sive Paulfeuerborn called Hermreck and Elisabeth Jacobfeuerborn called Claasbrummel

Why ?

Wilhelm's father was Conrad Wilhelm Ahnhorst, who married into the Paulfeuerborn farm. This gave his father the name Conrad Wilhelm Ahnhorst, called Paulfeuerborn. His son Wilhelm is now recorded in various ways in the church records when he marries and his children are born. As Wilhelm Ahnhorst, as Wilhelm Paulfeuerborn or as Ahnhorst sive Paulfeuerborn, also known as Ahnhorst genannt Paulfeuerborn.

This „called Xxxxxxx“ always refers to the place of residence. With very few exceptions.

Elisabeth's father, born Jacobfeuerborn, also married into the Claasbrummel farm.

Conclusion :

For genealogical research in the Westphalia area, this means that family trees can only be created without problems from 1815 onwards. If you are interested in the period before 1800, i.e. the 18th century and earlier, you should study all the documents. These are church registers, tax lists/protocols, Weinkauf-protocol (Handover of the farm to the heir) as well as death-protocol and many other official records. Weinkauf-protocol were a tax levy when the farm was handed over and death-protocol were an inheritance tax.

The old records can be found in today's state and regional archives in Westphalia, as well as in many town and municipal archives. (Information on the locations can be found at www.westfalenhoefe.de on the pages of the respective districts and towns/municipalities. If you have any questions, you can write to us using the e-mail address at the bottom of each page).

Michael Erichreineke, Verl in January 2024

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wiki/westfalen_westfaelische_namensgebung.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/29 20:20 von michael

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